Namaste,
ich bin inzwischen im IIT Delhi, meiner neuen Wirkungsstätte für eine 4-monatige Studienarbeit, angekommen und bin bisher sehr zufrieden. Aber vielleicht fange ich besser ganz am Anfang an, letzen Samstag:
Der Flug ist relativ entspannt, auch wenn ich auf der Strecke Düsseldorf-Dubai nur einen Mittel-Mittelplatz bekomme. Und ich war mir so sicher, dass ich das bei der Buchung anders angegeben habe. Naja, aber ich bin müde genug, als dass ich auch eingeklemmt zwischen einem seltsamen Araber, der sich mit einer Decke über dem Kopf unruhig hin- und herwirft, und einem freundlichen Deutschen selig dem Wüstenflughafen entgegendämmerte. Dort schlage ich dann gegen Mitternacht auf und bekomme einen hochwertigen Flughafen-Dubai-Essensgutschein, den ich gegen genauso hochwertiges Flughafen-Dubai-Thai-Essen tausche. Naja, zumindest essbar ist es.
Die nächste Teilstrecke ist dann umso angenehmer, ich werde auf Business-Class, Fenster, hochgestuft. Ich bin mir zwar nicht sicher, welche der Stewardessen ich mit meinem souverän müde-verschwitzten Auftreten so beeindruckt habe, aber ich habe es mir auf jeden Fall verdient. Und das Gefühl ist definit etwas anderes, wenn man sich an den einfachen Economy-Class Passagieren zum Boarding vorbeischieben darf und von einer Stewardess mit schwarzem(!) Käppchen begrüßt wird (die Stewardessen für das einfache Volk tragen rote Käppchen). Vor dem Start dann ein Gläschen Champagner, dann wird „Herr Gemmecke“ nach seiner Bestellung für das Frühstück gefragt. Joghurt, mundgerecht geschnittene Früchte, frisches Brot und duftende Croissants, dazu allerlei verrückte Köstlichkeiten und noch mehr Champagner. Danach wieder Champagner und die Frage, was der einfache Pöbel im Hinterteil des Fliegers wohl vorgeworfen bekommt. Zwischendurch ein Schläfchen in meinem Liegesessel, dann noch mehr Champagner bis zur Landung. Da muss der Champagner dann weg, „Bottoms up – good man“ wie die schwarzbehütete Stewardess es formuliert.
Danach: Landung in Delhi. Reisenotiz für die Zukunft: mit einem leichten Champagner-Schwips lässt sich der Stress nach der Ankunft gleich viel besser ertragen. Fall ich wieder Linie fliegen sollte, werde ich das nur noch in der Business-Class tun. Beschwingt nehme ich ein Taxi zu meiner Universität, das setzt mich zwar am falschen Tor ab, aber ich schwebe einfach den Weg zu meinem Hostel zu Fuß weiter, kein Problem. Wieder ausgenüchtert werde ich dort vor dem Eingang empfangen, der Professor hat dort einfach einen Doktoranden den ganzen morgen dort auf meine Ankunft warten lassen. Mein Zimmer ist einfach, spartanisch und hat den bröckeligen Charme einer Gefängniszelle, Einzelhaft. Allerdings bin ich alleine dort untergebracht, was mich doch sehr zufrieden stellt. Der inzwischen herbeigeeilte Professor begrüßt mich herzlich, alle sind sehr um mein Wohlergehen bemüht. Nach einer kurzen Dusche geht es dann mit meinem neuen Betreuer erstmal auf den Markt, Bettzeug für meine Zellenpritsche kaufen. Ein paar Rupien ärmer und ein Sweet-Love-Herzchenmotiv-Bettzeug reicher verstehe ich es, damit meiner Kammer einen gewissen heimeligen Charme einzuhauchen.
Am Tag nach meiner Ankunft werfe ich einen ersten Blick auf die Innenstadt von Delhi, irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Es ist ganz anders als in China, wo auf allen Häusern noch die Schutzfolien vom Bau draufkleben und man trotzdem schon überlegt, ob man das Gebäude vielleicht für ein noch größeres Bauprojekt wieder abreißen soll. In Delhi ist alles noch ein bisschen kolonialer und gemütlicher. Die Gebäude sind wirklich alt (und bröckeln schon ein wenig) und tragen diese imperial-britische Handschrift. Irgendwie eindrucksvoll. Manchmal hat man das Gefühl, dass gleich ein Kolonialbeamter im Tropenanzug auf einem Tiger um die Ecke geritten kommen muss.
Die nächsten Tage vergehen dann wie im Fluge, ich mache viele neue Bekanntschaften. Viele Mitbewohner, aber auch Studenten auf der Straße stellen sich mir vor, Inder sind sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig. Natürlich vergesse ich alle Namen sofort wieder und bin mir nach einiger Zeit auch nicht mehr sicher, wen ich denn jetzt in meinem Hostel schon kenne und wen nicht. Daher habe ich mir ein freundlich-nichtssagendes Lächeln antrainiert, mit dem ich Menschen auf dem Gang begrüße, in der Hoffnung, dass sie mein Nichtwissen nicht bemerken. Ich hoffe sehr, dass ich mir meine neuen Bekanntschaften im Laufe der nächsten Tage und Wochen ein bisschen besser einprägen kann.
Alles ist auf jeden Fall bis jetzt sehr angenehm hier. Ich bin mal gespannt, was die nächsten Tagen mit den jetzt anstehen Hindu-Festen bringen werden…
Wie in meinem China-Blog versuche ich auch hier wieder, jede Woche eine speziell indische Eigenart zu sammeln. Voilà, hier die Nummer eins:
DIE EIGENART DER WOCHE: süß, Süß, SÜß!
Ich werde daheim ja schon für meinen Zuckerkonsum verlacht, aber was hier konsumiert wird, finde ja selbst ich schon grenzwertig süß. Die 4 Päckchen Zucker auf eine kleine Tasse könnte man ja vielleicht noch vertragen, genauso den hiesigen Tee, der mit seinem Brennwert ein ganzes Dorf über den Winter bringen könnte. Nur noch mit viel Wasser zu ertragen sind allerdings die Nachspeisen, die hier nach dem Abendessen gereicht werden. Hergestellt aus Zucker in Zucker an Zucker, mit einem ordentlichen Klecks Sirup. Ich bin mir über die restlichen Geschmacksnuancen außer „süß“ noch nicht im Klaren, auch wenn die indischen Kollegen immer genau wissen, welche der vielen Süßspeise ich ihnen gerade beschreiben, wenn ich Geschmack: „süß“, Form und Farbe beschreibe. Aber mit der Zeit trainiere ich hier sicherlich meinen Gaumen und kann dann auch erkennen, was die verschiedenen bunt-süßen Klumpen geschmacklich voneinander unterscheidet. Falls ich nicht vorher an massivem Diabetes erkranke und sterbe. Ich bin gespannt …
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