Dienstag, 25. Oktober 2011

Züge und Forts


Namaste!

Eine kurze Anmerkung zu den Fotos: Um Kopfschmerzen beim Lesen durch Wackelbilder einzugrenzen, habe ich hier deutlich weniger davon eingefügt, die meisten Fotos sind statisch. Um die entsprechenden Wackelbilder zu sehen: einfach dem Link zum Web-Fotoalbum folgen!

Züge und Forts


Letztes Wochenende habe ich mich damit beschäftigt, Jodhpur in Rajasthan zu bewundern. Dafür bin ich mit einer Rotte Couchsurfer freitagnachts aufgebrochen, um über Nacht schlafenderweise mit dem Nachtzug ans Ziel zu kommen.

In diesem Zug habe ich meine erste Erfahrung mit indischen Zügen und Bahnhöfen gemacht. Du möchtest diese Erfahrung teilen? Kein Problem! Um einen indischen Bahnhof in Betrieb und eine Zugverbindung zu einem anderen aufzubauen muss man nur folgendes tun:

Schritt 1: Ein leicht heruntergekommenes Gebäude im Kolonialstil bauen. Es gibt Bonuspunkte, wenn alles etwas verwinkelt angelegt ist und die Gleisnummerierung irgendwie inkonsistent sind (Am Eingang steht man bei Gleis 10 bis 20, die restlichen Gleise sind irgendwie am anderen Ende von Gleis 10 versteckt). Gerne dürfen undurchsichtige oder irreführende Hinweisschilder aufgehängt werden.

Schritt 2: Das Gebäude füllen!Qualität: Man nehme einfach einen Querschnitt der indischen Bevölkerung, zur ethnischen Abrundung sollten noch ein paar verwirrte Ausländer hinzugefügt werden. Quantität: einige Tausend sind empfehlenswerte. Dabei ist darauf zu achten, dass etwa die Hälfte der anwesenden Personen irgendwelchen kommerziellen Tätigkeiten nachgeht (Taxiwallas, Wasserverkäufer, Touristennepper) und diese lautstark verkündet. Der reisende Teil der Bevölkerung muss entweder rennen, schlendern oder schlafen. Letzteres am besten auf ausgebreiteten Ausgaben der „Hindustan Times“, die wohl ein besonders sanftes Ruhen verspricht.

Schritt 3: Turn up the Volume! Ein indischer Bahnhof muss eine Lautstärke eines startenden Düsenjets haben. Dazu lässt man alle anwesenden Personen konstant schreien, um ihre ebenfalls schreienden Mitreisenden zu übertönen, die wiederum ihre schreienden Mitreisenden übertönen müssen. Darüber hinaus mischt man zahlreiche Lautsprecheransagen bei, die jeweils mit einem Windows-Start-Sound angekündigt werden müssen.

Schritt 4: Züge, ganz wichtig. Züge müssen blau gestrichen sein und eine verstörend große Anzahl an Klassen haben. Dazu gehören diverse klimatisierte und unklimatisierte, dicht oder weniger dicht belegte Abteile, sitzen oder schlafen. Das schlägt sich alles natürlich in verschiedenen Ticketpreisen nieder. Das Ticketsystem muss verschiedene seltsame Formen von Tickets vorsehen, dazu gehören welche, die einem das theoretische Belegen eines Bettes im Schlafwagen vorbehalten, falls einer der Passagiere nicht auftaucht, sein Bett nicht möchte oder während der Fahrt verstirbt. Falls diese Fälle nicht eintreten, muss der arme Passagier die Nacht über sitzen, stehen oder sich mit einem anderen Passagier das Bett teilen.

Nach erfolgreicher Durchführung aller dieser Schritte erhält man eine 1-zu-1 Kopie des indischen Eisenbahnsystems. Glückwunsch!

Ich habe meine Jungfernfahrt in einem unklimatisierten, 3-Bett-Schlafwaggon absolviert. Was ich natürlich nicht wusste: Man bekommt weder Decke noch Kissen in dieser Klasse, außerdem schließen die Fenster nicht richtig. Ich habe also bitterlich gefroren nachts, dazu noch mit dem Kopf auf dem Rucksack liegend war der Entspannungswert dieser Fahrt nicht gerade hoch. Angekommen sind wir aber trotzdem.

Lustig ist’s, wenn der Zug aus dem Bahnhof abfährt. Während eine Zugabfahrt in Deutschland sehr digital ist (Zug steht und kann bestiegen werden – Zug fährt und kann nicht mehr bestiegen werden) ist das in Indien eher ein fließender Prozess. Zum Abfahrtszeitpunkt setzt sich der Zug laaaangsam in Bewegung, mit offenen Türen natürlich. Die Leute schlendern allerdings immer noch auf dem Bahnhof entlang, manche springen rein, andere raus, keine allzugroße Hektik allerdings. Eile ist erst geboten, wenn der Zug das Ende des Bahnsteigs erreicht hat. Nach Passieren dieses Punktes werden die Türen allerdings immer noch nicht geschlossen, die bleiben einfach die ganze Fahrt über offen (außer jemand macht sie zu). Da kann man dann in der offenen Tür stehen und rausschauen, wie draußen die nachtschwarze Landschaft vorbeifliegt. Zwar ein bisschen gefährlich, aber sehr dicht am Leben draußen. Dann pufft man an lautstarken Hochzeitsgesellschaften, verlassen aussehend Dörfern oder belebten Straßen vorbei, Füße dicht über den Schienen und die Nase im Fahrtwind. Nice.
Blick aus der offenen Tür in perfekte, indische Nachtschwärze


Man bekommt im Zug – wenn man denn nicht mehr in der Tür sitzt – viel Kontakt mit Indern. Bis alle ins Bett gehen, sitzt man auf den untersten Liegen zusammen und schwatzt oder teilt essen miteinander und tauscht Tipps über das angesteuerte Reiseziel aus. Oder lässt sich einfach nur mit offenem Mund anstarren. Ooooooo, ein Westler...

Die Stadt Jodhpur – unser Reiseziel – ist auf jeden Fall eine Reise wert. Gelegen im unwirtlichen Rajasthan (einem Wüstenstaat) ist die Stadt noch viel indischer als Delhi. Überall laufen Kühe herum, die sich am Müll in den engen Straßen delektieren. Auch bekannt als die „blaue Stadt“, wegen der vielen mit Indigo gestrichenen Häusern, sieht die Stadt als Panorama von der alles überragenden Burg aus betrachtet sehr malerisch aus.
Blick von der Burg
Leider war ich am ersten Tag erstmal ein bisschen krank, vermutlich der unbequemen Zugfahrt geschuldet. Trotzdem habe ich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten angeschaut, bin dann aber Abends ein bisschen früher ins Bett gegangen und habe mir den Schlaf zurückgeholt, den mir der kalte Wind im Schlafzug geklaut hat. Persönliches Highlight des Tages war die Fahrt von 8 Personen (inklusive Fahrer) in einer Autorikscha auf den Burgberg. Zum atemberaubenden Preis von 1,20€ (für alle) hat der Fahrer seinen Motor zum qualmen gebracht, mir in einigen Kurven das Gefühl gegeben, dass ich gleich aus dem Wagen falle und uns allen ein paar der schönsten Nahtoderlebnisse beschert, die man sich vorstellen kann. Nach dieser Fahrt sieht man sein Leben gleich wieder mit ganz anderen Augen!
Überlebt! Im Hintergrund schaut noch der Rickschafahrer kritisch seinen lebensmüden Fahrgästen hinterher

Am nächsten Tag haben wir die Burg von innen besichtigt, richtig gut. Es gab einen deutschen Audioguide und insgesamt viel zu sehen. Es gibt sogar noch den Original-Maharadscha! Der ist allerdings in sein Zweit-Schloss umgezogen, weil er vermutlich die Toristenhorden, die durch sein Wohnzimmer stapfen, ungemütlich fand. Nie treten die sich die Schuhe ab!

Auf der Rückfahrt am darauffolgenden Abend habe ich dann 2 € in die Hand genommen und mir ein Kissen und eine Decke gekauft. Damit wird so eine Zugfahrt doch gleich viel angenehmer.

Darüber hinaus habe diese Woche auch meine ersten Badminton und Squash-Erfahrungen gemacht. Allerdings muss ich feststellen, dass man sich wohl seinerzeit entschieden hatte, die Plätze und Hallen hier im IIT mit Betonboden auszustatten. Das hat nicht nur eine relativ bescheidene Dämpfungseigenschaft, sondern wird leider auch ganz ekelhaft glatt, sodass ich ernsthaft in Erwägung ziehe, die nächste Partie mit Schlittschuhen zu spielen. Mehr Grip hätte man damit auf jeden Fall.

DIE EIGENART DER WOCHE: Ich nehme einen Hopfentee…
Jaa, der Inder hat ein seltsames Verhältnis zu Alkohol. Die meisten Leute trinken hier entweder ordentlich, oder überhaupt nichts, irgendwas dazwischen scheint eher seltener vorzukommen. Alkohol ist allerdings auch nicht immer frei verfügbar, man bekommt ihn nur in speziellen Alkohol-Geschäften, also ein bisschen so wie in Skandinavien. Allerdings sind die Preise dort immer noch eher moderat – zumindest für die indischen Alkoholika – sodass der Zugriff auf den harten Stoff nicht wirklich beeinträchtigt ist.

Schwieriger sieht es allerdings für Gäste in der Gastronomie aus. Dort einfach ein Bier neben seinem Butter-Chicken zu schlürfen ist schon fast unmöglich, da man nur mit spezieller Alkohol-Lizenz Stoff ausschenken darf; und die haben nur wenige. Die Lokale, die eine haben, nutzen dass dann aus und sind tagsüber Restaurant, abends Bar und nachts Disco. So kann man fast rund um die Uhr ausschenken.

Das man in den meisten Lokalen kein Bier bekommt, stört den Inder an sich eher weniger; der hält sowieso von „mal eben ein Bierchen“ wenig. Unangenehm ist diese Regelung allerdings für die Lokale in Touristen-Gegenden, weil die – meist jungen Touris – genau nach so etwas verlangen. Was tut man also: genau, man schenkt illegal Alkohol aus. Da fährt dann der klapprige Lastwagen vor dem Lokal vor und es werden glasklappernd mit Tüchern verhängt Kästen und Kartons ins Lokal getragen. Was könnte da wohl drinnen sein? Und wie wird der Hopfensaft unauffällig serviert, wenn man bestellt: Richtig, in Teetassen. Darauf: Hoch die Tassen!

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Indische Bürokratie

Wenn man – mit einem korrekten Visum eingereist – in Indien ist, muss man sich bei der Polizei registrieren, da der indische Staat gerne weiß, wo sich seine Ausländer aufhalten. Sollte ja nicht so schwierig sein, denkt man. Kurz: „hier bin ich“ sagen, gut ist. Die indische Bürokratie belehrt einen da allerdings eines Besseren.

Ich habe glücklicherweise schon gestern begonnen, alle notwendigen Formulare zu sammeln. Da wäre zum einen ein Formular, downzuloaden im Internet immerhin, das man lediglich in 3-facher Ausführung mitbringen muss. Dazu noch eine Bestätigung der Universität, eine des Wohnheims, diverse Kopien des Reisepasses und schlappe 4 Passbilder. Für die Bestätigung der Universität bräuchte ich einen HIV-Test, ein medizinisches Fitnesszeugnis, eine Kopie meiner Versicherungsunterlagen und noch ein paar Sachen mehr. Die Bestätigung vom Hostel hätte ich bekommen, wenn ich ein Formular ein Tag vorher ausgefüllt hätte und rechtzeitig an einen anderen, geheimen Ort  gebracht hätte, den man mir allerdings nicht so ganz genau in gebrochenem Englisch erklären konnte. Ich vermute, es war mein Institut gemeint, das ist allerdings nur eine Spekulation.
Das Wohnheim blieb auch hart, ein verständnisvoller Bürokrat im IIT hat mir aber netterweise schriftlich bestätigt, dass ich dort studiere und auch wohne.

Mit leicht unvollständigen Unterlagen ziehe ich also weiter zur Polizeistation. Dort bekomme ich von einer sehr unwirschen Frau vor der Polizeistation eine Wartemarke, die ich dann allerdings nie wieder brauchen werde. Innerhalb der Station werden meine Unterlagen geprüft und ich bekomme eine neue Wartemarke. Mit der darf ich dann meine Papiere zu einer weiteren Prüfung vorlegen, bei der 3 Stempel pro Formularsatz aufgebracht werden. Danach muss ich an einem anderen Pult einen neuen Ausdruck einsammeln, der – mit einem Foto versehen – wieder dreimal gestempelt wird. Danach trage ich alle Papiere zu einem Beamten, der der Vorsitzende des Büros ist und den ganzen Tag nichts anderes macht, als die vorbereiteten und vorgestempelten Papiere seiner Bürokratieknechte abzuzeichnen. Also noch fix 4 Unterschriften auf alle Formulare und: tadaaa! Fertig.

Hat alles in allem nur einen Vormittag und einen Nachmittag Formulare-sammeln benötigt. Ich glaube im Vergleich mit anderen war ich damit sogar ganz gut. Ich bin ja mal gespannt, wie meine Visumsverlängerung in ein paar Wochen abläuft …

Dienstag, 11. Oktober 2011

Hindu-Feierlichkeiten und das rote Fort


Namaste!

Inzwischen bin ich über eine Woche hier, es fühlt sich aber irgendwie schon so an, als sei ich bereits viel länger hier. Irgendwie seltsam.

Oktober ist hier in Indien „Festival-Zeit“, die ganzen großen Feste der – mir immer noch rätselhaften Hindu-Untergruppierungen – finden gerade alle statt. Das begann am Dienstag mit Durga Puja, bei der die bekannte, 10-armige Göttin names Durga und ihre Söhne verehrt werden. Diese Göttin ist als so eine Art Best-of von den anderen Göttern zusammengeschraubt worden mit dem Ziel einen fiesen Dämon ins Jenseits zu befördern. Da kommen einem 10 Arme mit jeweils einer anderen todbringenden Waffe gerade recht. Zur Erinnerung an dieses sicherlich spektakuläre Gemetzel werden dann heute in der ganzen Stadt unzählige Altäre und Festzelte gebaut und ein tagelanges Rahmenprogramm mit Spiel und Tanz abgehalten. Dabei versucht jede „Gemeinde“ mit ihrem Programm und ihrem Festzelt die anderen Gemeinden so weit wie möglich an Pomp und Kitschigkeit zu übertreffen. Per SMS kann dann der entrückte Gläubige abstimmen, welche Location ihm letztendlich am besten gefallen hat.
 In einem Festzelt, in dem ich Mittags bin, werde ich umfassend verköstigt und darf mich über kleine Inderkinder in niedlichen Anzügen amüsieren. Dazu gibt es noch lustige Gesellschaftsspiele, wie man sie sonst von Kindergeburtstagen kennt (Eierlauf etc.) bei der als Hauptpreis eine Flugreise nach Bankok ausgelobt wird.

Abends geht es dann mit einer größeren Gruppe in einen deutlich prachtvolleren Tempel, in dem meine Kollegen sich mit ihren Freunden treffen und viele Leute angeregt redend durcheinander wuseln, vor dem Altar lobpreisen, mit Blüten um sich werfen oder einfach nur die aufwendige Dekoration bewundern. Später tritt noch ein Popmusiker aus Kalkutta auf, und die aufgeregte Meute wird still und lässt sich zu Hunderten – im Schneidersitz – vor der Bühne nieder. Ich war ja noch nie so gut im „auf-dem-Boden-sitzen“, aber 2½  Stunden schneidersitzen tut dann schon ordentlich weh.  Das scheint dem Inder aber nicht so zu gehen. Das Konzert war gut, auch wenn ich natürlich nichts verstanden habe, auf jeden Fall aber ein amüsantes Erlebnis.

Zwei Tage später stand dann schon wieder das nächste Fest ins Haus, Dashahara, bei dem 3 riesige Pappmaschee Figuren von weitere bösen Dämonen unter großem Jubel verbrannt werden. Dazu gibt es erst einen Umzug, bei dem als mythologische Gestalten verkleidete Inder auf offenen Lastwagen zum Festplatz gefahren werden. Danach wird die Menge von Feuerwerk und Böllerschüssen unterhalten, bevor dann – pünktlich zu einem genau vorberechneten Zeitpunkt nach dem indischen Kalender (der allerdings bei jedem Spektakel ein bisschen anders ist, Rundungs-Ungenauigeiten, sicherlich) – die Strohballen unter den Figuren entzündet werden. Da die Figuren nicht nur aus Pappmaschee gefertigt -, sondern auch noch mit Böllern gefüllt sind, ist das Verbrennen ein lautstarkes Spektakel. Nachdem dann allerdings von den Figuren nur noch 3 Häufchen Asche übrig geblieben sind, drehen die vielen Tausend Teilnehmer praktisch auf dem Absatz um und gehen nach Hause. Ende des Abendprogramms…

Prozession auf Schrott-LKW zum Festplatz

Brennen sollen sie, die Drecks-Dämonen


Ansonsten habe ich in dieser Woche noch nach einem Supermarkt gesucht und habe – nach langer Zeit – auch einen gefunden. Irgendwie ist so etwas hier allerdings sehr unpopulär, es gibt zwar ein paar Ketten, aber nichts vergleichbar zu unseren. Auch die großen Ketten, Walmart, Carrefour und was es sonst noch so gibt, sind hier nicht vertreten. Die meisten Einkäufe werden von Indern nach wie vor in kleinen Geschäften getätigt, in denen sich die Waren bis unter die Decke stapeln und ein kauziger Ladenbesitzer über sein Hab und Gut wacht und einem auf Anfrage die Preise der einzelnen Waren mitteilt. Eigentlich seltsam, ich hätte gedacht, dass sich eine so praktische Erfindung wie ein Supermarkt mehr oder weniger weltweit durchsetzt, schon alleine aus ökonomischer Notwendigkeit. Wohl nicht …

Gestern habe ich noch das rote Fort besucht, ein UNESCO Weltkulturerbe in Delhi und sehr eindrucksvolles Bauwerk. Das beinhaltet all die Baustile, die man sich als „typisch Indisch“ vorstellt und ist ein wunderbarer Ort, um ein bisschen entspannt durch die Gegen zu schlendern und auf einer Bank in der Sonne zu dösen. Ursprünglich von den Moguln als Stärkebeweis und Regierungspalast in einem gebaut, wurde es später von den Briten zur Garnison umgebaut und mit Kasernengebäuden erweitert. Ein entspannter Ort, den auch viele indische Familien gerne besichtigen. Und während ich als Ausländer knapp 4 € eintritt zahlen muss, kommt man als Inder schon für 0,80 € rein. Ich fühle mich diskriminiert!
Leider schwebt hier auch immer über allen öffentlichen Gebäuden das Damoklesschwert eines Terroranschlages und über nationalen Heiligtümern wie dem roten Fort natürlich besonders. Daher sind die Sicherheitsvorkehrungen sehr hoch. Vor dem Eingangstor sind MG-Nester gebaut, man wird abgetastet und die Taschen werden durchsucht. Auch innerhalb des Gebäudes gibt es Sandsackbarrikaden und schwer bewaffnete Soldaten, die einen kritisch unter ihren Stahlhelmen mustern. Ähnlich sieht der Eintritt in die U-Bahn-Stationen aus, auch hier wird man durchleuchtet, abgetastet und durchsucht. Und überall auch hier wieder Sandsäcke und Soldaten.

DIE EIGENART DER WOCHE: Das Kopfschaukeln
Ja, das ist eine seltsame Sache. Wenn man zuerst mit eine Inder redet, guckt der einen beim Erzählen an und wackelt dabei mit dem Kopf. Nicht als würde er den Kopf schütteln, eher so ein bedächtig hin- und herwiegen. Genau den Eindruck hat man als Europäer dann auch erstmal, es wirkt so, als würde der Gegenüber so ein „naja, ich weiß ja nicht so recht…“ ausdrücken wollen. Letztendlich bedeutet es aber nur soviel wie „aha, okay“. Wenn man sich erstmal dran gewöhnt hat, ist das ganz lustig. Mal sehen, wie lange es braucht, bis ich das dann auch mache.
Das rote Fort von außen...

...der Vorbau...
...und das Eingangstor.   

Hierhin strömten früher die einfachen Inder, um dem Moghul ihre Probleme vorzutragen. Strömen tun sie immer noch, nur heute ohne Moghul.

Prächtig wohnt es sich so, als Moghul.

Straßenszene vor einem Markt

Shopping-Gasse!

Der Mahatma darf natürlich nicht fehlen (hier im Park)



Mittwoch, 5. Oktober 2011

Angekommen


Namaste,

ich bin inzwischen im IIT Delhi, meiner neuen Wirkungsstätte für eine 4-monatige Studienarbeit, angekommen und bin bisher sehr zufrieden. Aber vielleicht fange ich besser ganz am Anfang an, letzen Samstag:
Der Flug ist relativ entspannt, auch wenn ich auf der Strecke Düsseldorf-Dubai nur einen Mittel-Mittelplatz bekomme. Und ich war mir so sicher, dass ich das bei der Buchung anders angegeben habe. Naja, aber ich bin müde genug, als dass ich auch eingeklemmt zwischen einem seltsamen Araber, der sich mit einer Decke über dem Kopf unruhig hin- und herwirft, und einem freundlichen Deutschen selig dem Wüstenflughafen entgegendämmerte. Dort schlage ich dann gegen Mitternacht auf und bekomme einen hochwertigen Flughafen-Dubai-Essensgutschein, den ich gegen genauso hochwertiges Flughafen-Dubai-Thai-Essen tausche. Naja, zumindest essbar ist es.

Die nächste Teilstrecke ist dann umso angenehmer, ich werde auf Business-Class, Fenster, hochgestuft. Ich bin mir zwar nicht sicher, welche der Stewardessen ich mit meinem souverän müde-verschwitzten Auftreten so beeindruckt habe, aber ich habe es mir auf jeden Fall verdient. Und das Gefühl ist definit etwas anderes, wenn man sich an den einfachen Economy-Class Passagieren zum Boarding vorbeischieben darf und von einer Stewardess mit schwarzem(!) Käppchen begrüßt wird (die Stewardessen für das einfache Volk tragen rote Käppchen). Vor dem Start dann ein Gläschen Champagner, dann wird „Herr Gemmecke“ nach seiner Bestellung für das Frühstück gefragt. Joghurt, mundgerecht geschnittene Früchte, frisches Brot und duftende Croissants, dazu allerlei verrückte Köstlichkeiten und noch mehr Champagner. Danach wieder Champagner und die Frage, was der einfache Pöbel im Hinterteil des Fliegers wohl vorgeworfen bekommt. Zwischendurch ein Schläfchen in meinem Liegesessel, dann noch mehr Champagner bis zur Landung. Da muss der Champagner dann weg, „Bottoms up – good man“ wie die schwarzbehütete Stewardess es formuliert.

Danach: Landung in Delhi. Reisenotiz für die Zukunft: mit einem leichten Champagner-Schwips lässt sich der Stress nach der Ankunft gleich viel besser ertragen. Fall ich wieder Linie fliegen sollte, werde ich das nur noch in der Business-Class tun. Beschwingt nehme ich ein Taxi zu meiner Universität, das setzt mich zwar am falschen Tor ab, aber ich schwebe einfach den Weg zu meinem Hostel zu Fuß weiter, kein Problem. Wieder ausgenüchtert werde ich dort vor dem Eingang empfangen, der Professor hat dort einfach einen Doktoranden den ganzen morgen dort auf meine Ankunft warten lassen. Mein Zimmer ist einfach, spartanisch und hat den bröckeligen Charme einer Gefängniszelle, Einzelhaft. Allerdings bin ich alleine dort untergebracht, was mich doch sehr zufrieden stellt. Der inzwischen herbeigeeilte Professor begrüßt mich herzlich, alle sind sehr um mein Wohlergehen bemüht. Nach einer kurzen Dusche geht es dann mit meinem neuen Betreuer erstmal auf den Markt, Bettzeug für meine Zellenpritsche kaufen. Ein paar Rupien ärmer und ein Sweet-Love-Herzchenmotiv-Bettzeug reicher verstehe ich es, damit meiner Kammer einen gewissen heimeligen Charme einzuhauchen.



Am Tag nach meiner Ankunft werfe ich einen ersten Blick auf die Innenstadt von Delhi, irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Es ist ganz anders als in China, wo auf allen Häusern noch die Schutzfolien vom Bau draufkleben und man trotzdem schon überlegt, ob man das Gebäude vielleicht für ein noch größeres Bauprojekt wieder abreißen soll. In Delhi ist alles noch ein bisschen kolonialer und gemütlicher. Die Gebäude sind wirklich alt (und bröckeln schon ein wenig) und tragen diese imperial-britische Handschrift. Irgendwie eindrucksvoll. Manchmal hat man das Gefühl, dass gleich ein Kolonialbeamter im Tropenanzug auf einem Tiger um die Ecke geritten kommen muss.

Die nächsten Tage vergehen dann wie im Fluge, ich mache viele neue Bekanntschaften. Viele Mitbewohner, aber auch Studenten auf der Straße stellen sich mir vor, Inder sind sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig. Natürlich vergesse ich alle Namen sofort wieder und bin mir nach einiger Zeit auch nicht mehr sicher, wen ich denn jetzt in meinem Hostel schon kenne und wen nicht. Daher habe ich mir ein freundlich-nichtssagendes Lächeln antrainiert, mit dem ich Menschen auf dem Gang begrüße, in der Hoffnung, dass sie mein Nichtwissen nicht bemerken. Ich hoffe sehr, dass ich mir meine neuen Bekanntschaften im Laufe der nächsten Tage und Wochen ein bisschen besser einprägen kann.

Alles ist auf jeden Fall bis jetzt sehr angenehm hier. Ich bin mal gespannt, was die nächsten Tagen mit den jetzt anstehen Hindu-Festen bringen werden…

Wie in meinem China-Blog versuche ich auch hier wieder, jede Woche eine speziell indische Eigenart zu sammeln. Voilà, hier die Nummer eins:

DIE EIGENART DER WOCHE: süß, Süß, SÜß!
Ich werde daheim ja schon für meinen Zuckerkonsum verlacht, aber was hier konsumiert wird, finde ja selbst ich schon grenzwertig süß. Die 4 Päckchen Zucker auf eine kleine Tasse könnte man ja vielleicht noch vertragen, genauso den hiesigen Tee, der mit seinem Brennwert ein ganzes Dorf über den Winter bringen könnte. Nur noch mit viel Wasser zu ertragen sind allerdings die Nachspeisen, die hier nach dem Abendessen gereicht werden. Hergestellt aus Zucker in Zucker an Zucker, mit einem ordentlichen Klecks Sirup. Ich bin mir über die restlichen Geschmacksnuancen außer „süß“ noch nicht im Klaren, auch wenn die indischen Kollegen immer genau wissen, welche der vielen Süßspeise ich ihnen gerade beschreiben, wenn ich Geschmack: „süß“, Form und Farbe beschreibe. Aber mit der Zeit trainiere ich hier sicherlich meinen Gaumen und kann dann auch erkennen, was die verschiedenen bunt-süßen Klumpen geschmacklich voneinander unterscheidet. Falls ich nicht vorher an massivem Diabetes erkranke und sterbe. Ich bin gespannt …